(PA) Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie
Aufgrund der historischen Entwicklung wird die Psychoanalyse an verschiedenen Orten gelehrt und praktiziert. Beim Verständnis von Psychoanalyse kommen unterschiedliche Traditionen zum Tragen. Um dies deutlich zu machen, werden die unterschiedlichen Beschreibungen von Psychoanalyse und ihre institutionellen Organisationen einzeln angeführt.
In der Praxis kommen sowohl die hochfrequente Psychoanalyse wie auch die niederfrequente psychoanalytische Psychotherapie zur Anwendung. Das soll nunmehr auch in Form einer Ergänzung der Zusatzbezeichnung von „Psychoanalyse (PA)“ auf „Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie (PA)“ zum Ausdruck gebracht werden.
nach der Tradition der Innsbrucker, Linzer und Salzburger Arbeitskreise
Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie geht in ihrem Menschenverständnis davon aus, dass psychische Entwicklung von einem unbewussten, nicht direkt zugänglichen seelischen Bereich her angeleitet und verändert wird. Dieses Unbewusste meint sowohl die noch ausständigen Entwicklungen als auch die bereits stattgefundenen Verdrängungen aus vergangenen Konflikten und Defiziten. Die Wirksamkeit dieses Unbewussten auf das alltägliche Leben zu entdecken mit dem Ziel einer guten Weiterentwicklung der Persönlichkeit, ist Aufgabe der Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie als Psychotherapie.
Sie bedient sich dabei einer Methode, in der freie Einfälle zur konkreten Lebenssituation, zur Vorstellungswelt und zu den Traumbildern in ihrer Bedeutung und Wirksamkeit auf die Patientin (den Patienten) entschlüsselt und gedeutet werden, wodurch das erkennende Ich seinen Umgang mit sich, seiner Geschichte und seiner Umwelt freier und bewusster gestalten und verantworten kann. Einsicht und Veränderung entstehen innerhalb und mit Hilfe des Beziehungsgeschehens zwischen Analytikerin (Analytiker) und Patientin (Patienten). Der Analytikerin (dem Analytiker) kommt dabei vor allem die Aufgabe eines teilnehmenden, neutralen Zuhörens, Klärens und Zusammenfügens divergierender Bedeutungen zu. Die Lebensgeschichte der Patientin (des Patienten) wird dabei als Entstehungsgeschichte für ihre (seine) Gegenwart begriffen, ihre szenische Wiederbelebung in der psychoanalytischen Situation zwischen Analysandin (Analysanden) und Analytikerin (Analytiker) als Übertragung aus der Vergangenheit ist Basis der Behandelbarkeit und der Veränderung innerhalb der konkreten therapeutischen Beziehung.
Je nach Art der psychischen Erkrankung findet die Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie Anwendung in Form einer langen höherfrequenten Analyse, einer psychoanalytischen Psychotherapie als Kurz- oder Fokaltherapie, als Kinder-/ Jugendlichentherapie in ihrer Anwendung bei Kindern und Jugendlichen sowie als Paar- und Familientherapie für Paare und Familien.
nach der Tradition des Wiener Arbeitskreises für Psychoanalyse
Die von Sigmund Freud (1856 – 1939) begründete Psychoanalyse ist die erste auf Einsicht beruhende und mit einer umfassenden psychologisch orientierten Krankheitslehre ausgestattete Psychotherapie. Sie befasst sich mit den unbewussten Motiven menschlichen Verhaltens (Denken, Fühlen und Handeln), wie sie auch in der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer und psychosomatischer Störungen wirksam sind.
Ziel der psychoanalytischen Behandlung ist es, Erkenntnis und Einsicht in die zum großen Teil verborgenen und lebensgeschichtlich verstehbaren Grundlagen aktueller Leidenszustände zu gewinnen und deren Wirkung auf Persönlichkeitsstruktur und Charakterbildung sowie auf die Ausformung zwischenmenschlicher Beziehungen und Beziehungsstörungen im Privat- und Berufsleben kognitiv und emotional zu erfahren. Dies geschieht vor allem durch eine Reaktualisierung von intrapsychischen Konflikten, die auf frühkindlichen Erfahrungsmustern und auf unbewussten Phantasien beruhen und deren Wiederbelebung durch das Durcharbeiten der sogenannten Übertragungsbeziehung zur Analytikerin (zum Analytiker) erfolgt. Im geschützten Rahmen des psychoanalytischen Settings können leidvolle Erfahrungen und schuldbehaftetes Verhalten zur Sprache gebracht werden, so dass sich deren Ausdruck in psychischen, psychosozialen und psychosomatischen Symptomen erübrigt.
Die hohe Stundenfrequenz (4–5 Sitzungen pro Woche) und die relativ lange Dauer einer psychoanalytischen Behandlung beruhen einerseits auf dem anspruchsvollen Therapieziel, welches auch eine strukturelle Persönlichkeitsveränderung beinhaltet, und andererseits auf dem behutsamen und analysierenden Umgang mit Widerständen gegen Veränderungen, mit welchen man in der Psychotherapie konfrontiert ist. In bestimmten Fällen kann aber auch eine psychoanalytische Psychotherapie mit geringerer Sitzungsfrequenz und/oder begrenzter Behandlungsdauer erfolgreich sein.
nach der Tradition des Wiener Kreises für Psychoanalyse und Selbstpsychologie
Die psychoanalytische Selbstpsychologie ist eine Weiterentwicklung der klassischen Psychoanalyse, die Heinz Kohut (1913–1981) begründet hat. Indem er das Verhältnis von Beobachtungsmethode und Theorie beschrieb, gelang ihm die Eingrenzung des Feldes der Psychoanalyse: Psychoanalytisch relevante Daten sind nur solche, die durch Introspektion und Empathie gewonnen werden (Kohut 1957). Daraus ergab sich die Entdeckung und Beschreibung der narzisstischen Übertragungen, die zur Entwicklung der Selbstpsychologie führte.
In der Therapie geht es um die Herstellung und Erhaltung eines Systems zwischen Analytikerin (Analytiker) und Patientin (Patienten), das Selbst-reparierende, Selbstregulierende und Selbst-erhaltende Funktion erfüllt. Die Einstellung der Psychoanalytikerin (des Psychoanalytikers) der Patientin (dem Patienten) gegenüber ist die kontinuierlich beibehaltene Empathie. Dabei orientiert sich die Psychoanalytikerin (der Psychoanalytiker) in ihren (seinen) Deutungen am subjektiven Erleben der Patientin (des Patienten), um die aktuelle Beziehung zu verstehen. Sie (er) versucht, die Beziehung so zu gestalten, dass eine Retraumatisierung soweit als möglich verhindert wird, Beziehungseinbrüche in der Wiederherstellungsarbeit behoben werden können, der entsprechende Zusammenhang mit der Geschichte der Patientin (des Patienten) verstehbar werden und das psychotherapeutisch Erreichte zuletzt auch auf verbaler Ebene gefestigt werden kann. Das eigentliche Medium ist das subjektive Erleben der Beziehung, das so weit als möglich zur Sprache gebracht werden soll. Dabei geht es vor allem um die nicht bewussten Anteile des Erlebens (organizing principles of experience), die Erleben und Verhalten organisieren.
Die Frequenz der selbstpsychologischen Psychoanalyse/Psychoanalytischen Psychotherapie kann sowohl drei- bis vierstündig als auch ein- bis zweistündig pro Woche sein.
nach der Tradition der Wiener Psychoanalytische Vereinigung
Die Psychoanalyse/Psychoanalytische Psychotherapie basiert auf dem Werk Sigmund Freuds. Im Rahmen der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV), 1908 gegründet, die das theoretische und praktische/klinische Verständnis in einer lebendigen Auseinandersetzung weiterentwickelt; gegenwärtig gibt es weltweit 10.000 Mitglieder. Die Ausbildung zur international anerkannten Psychoanalytikerin bzw. zum Psychoanalytiker erfolgt nach einheitlichen Richtlinien der IPV.
Das menschliche Handeln wird als Kompromiss zwischen bewussten und unbewussten Motiven verstanden. Unangenehme, peinliche und schmerzliche Erfahrungen können verdrängt werden und führen zu inneren Konflikten, die sich in körperlichen Symptomen oder psychischen Problemen (Depression, Zwänge, Phobien) äußern. Ziel der analytischen Behandlung ist es, diese unbewussten Konflikte und traumatischen früheren Erlebnisse in der Übertragung zur Analytikerin (zum Analytiker) wieder erfahrbar zu machen. Die Erkundung unbewusster seelischer Vorgänge erfolgt im geschützten Rahmen des analytischen Settings. Durch das Lebendigwerden früher Erfahrungen im Hier und Jetzt werden neue emotionale Erfahrungen und intellektuelle Einsichten möglich, die die Liebes-, Genuss-, Arbeits- und Reflexionsfähigkeit der Patientin (des Patienten) herstellen oder verbessern sollen.
Eine Analyse erfordert eine hohe Stundenfrequenz (4–5 Mal pro Woche im Liegen), um in einem geschützten Rahmen die innere Welt der Patientin (des Patienten) in einer Weise behutsam entfalten zu können, die grundlegende Veränderungen ermöglicht. Sie ist vor allem bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und frühen Störungen angebracht. Das Setting einer psychoanalytischen Psychotherapie (1–2 Mal pro Woche im Sitzen) arbeitet mit einer ähnlichen Methode, um die Einsicht in unbewusste seelische Konflikte und damit mehr Kontakt zu lebendiger Teilnahme im beruflichen und privaten Bereich zu ermöglichen. In Krisensituationen ist eine Kurzzeittherapie oder Fokaltherapie sinnvoll.